Alles ist politisch – Ein Kreativprojekt mit politischer Lyrik des Deutsch GK in der EF

Wir leben in turbulenten Zeiten, wie uns Medienberichte aus aller Welt, aber auch die Geschehnisse vor unseren eigenen Haustüren tagtäglich zeigen. Immer häufiger lässt sich gerade bei jungen Menschen eine Tendenz zur News Avoidance, der Nachrichtenmüdigkeit, beobachten. Das ist die Vermeidung von Nachrichten überhaupt, weil diese sehr ernüchternd, lähmend und erschreckend wirken können. Besonders wenn überall auf der Welt viele schlimme Dinge passieren, mit denen man nicht richtig umzugehen weiß.

Im Rahmen des Themas „Alles ist politisch – Die Suche nach dem Ich und dem Wir in politischer Lyrik“ hat sich unser Deutschkurs in der EF im Schuljahr 2024/25 mit Frau Hopfendorf dazu entschlossen, der Nachrichtenmüdigkeit und dem Gefühl der Machtlosigkeit entgegenzuwirken – Mit kreativen Umsetzungen eigener und von anderen Menschen verfasster lyrischer Texte. Dabei haben wir die Möglichkeiten politischer Lyrik als Form von Aktivismus erkundet und zu den verschiedensten gesellschaftlichen Themen, die uns beschäftigen, unsere eigenen Gedanken und – oft sehr persönlichen – Gefühle zum Ausdruck gebracht. Doch welche aktivistische Wirkung kann politische Lyrik haben, wenn sie nicht geteilt wird? So nutzen wir also diese Plattform, unsere Projekte mit euch zu teilen. Seht selbst und lasst uns gemeinsam nach Antworten auf große Fragen suchen und gemeinsam etwas verändern.

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Reden und sagen / emotionale Inkompetenz 

Wir reden. Viel. Täglich. Ständig. Über das Wetter, über Termine, den neuesten Gossip, über was wir essen wollen. 

Reden – das können wir.  

Aber sagen – das ist was anderes.  

Emotionale Kommunikation?  

Ne gefühlte Fehlermeldung, Verbindung unterbrochen.  

Herz offline. Zunge blockiert.  

Weil keiner gelernt hat, wie man „Ich habe Angst“ sagt, ohne dabei schwach zu wirken.

Wir schreiben „Alles gut“, während der Kopf brennt.  

Lächeln im Gespräch, während innen schreit.  

Schicken Emojis statt echter Emotionen und hoffen, dass jemand zwischen den Zeilen liest.  

Aber irgendwie liest niemand mehr zwischen den Zeilen, wenn du gelernt hast, deine Sätze glatt zu polieren.  

Wenn du Gefühle lieber faltest, als sie offen auf dem Tisch zu legen.  

Weil offen zu sein heißt, angreifbar zu sein.  

Und das ist gefährlich.  

Denn was, wenn niemand antwortet? 

Wir sagen lieber gar nichts als das falsche.  

Und hoffen, dass jemand dreht.  

Aber niemand kann Gedanken lesen, nicht mal die, die dich lieben. 

„Ich kann nicht“, „Warum“, “Red doch mit mir“.  

Weil Emotionen unserer Sprache keinen sicheren Ort finden, weil Sätze wie „Ich bin überfordert“ in manchen Familien wie Fremdsprachen klingen.  

Und so bleiben wir still. Gefangen im Lärm.  

Voller Wörter, aber ohne Ausdruck.  

Voller Nähe, aber mit Abstand.  

Vielleicht müssen wir es üben.  

Nicht Smalltalk, sondern Echtheit.  

Nicht reden, um zu füllen – sondern reden, um zu fühlen, so richtig.  

Denn manchmal, da reicht ein leises „Ich bin da“ mehr als 1000 gut gemeinte Tipps.  

Und ein echtes „Wie geht’s dir wirklich?“ kann Mauern einreißen, wo vorher keiner durchkam. 

„Reden und sagen“ – ein selbstgeschriebenes Gedicht von Lotta Scheiding mit Verbildlichung, umgesetzt von Lotta Scheiding, Lewin Harre, Leonie Fabrizius und Ben Luca Pahmeyer

„Das Sklavenschiff“ – eine musikalische Adaption des Gedichts „Das Sklavenschiff“ von Heinrich Heine, umgesetzt von Marja Knicker (erstellt mit der App GarageBand)

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Morgen

Heute geht es mir gut,
Heute hab ich Geld,
Heute kann ich tun, was auch immer mir gefällt.

Und Morgen?

Heute gibt es Krieg,
Heute gibt es Armut,
Heute hungern Menschen.

Und morgen?

Wird das ewig so weitergehen?
Wann kommt es zum Stopp?

Das frag ich mich,
Und doch kenne ich die Antwort nicht.

„Morgen“ – ein selbstgeschriebenes Gedicht von Janice Möller

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„All Eyes on Gaza“ – eine Collage zum Gedicht “Under the Rubble” von Mosab Abu Toha, umgesetzt von Theresa Berg

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POETRY SLAM – Wieso stört dich meine Haut so sehr?

Doch wieso stört dich meine Haut so sehr?
Oder sind es meine Haare, meine Lippen, meine Kleidung…?
Die ich zur Schau stelle als eine Warnung
Oder mein Lächeln, welches weiße Zähne hervorblitzen lässt.

Doch bitte sag mir, was stört dich so sehr?
Und dann, wenn ich denke, ich würde dazu passen, mich loslassen
und niemand würde mich mehr hassen
werde ich erneut in die Realität hineingezogen und belogen, dass meine Haut, in der ich steck, nicht mehr ist als purer Dreck.
Denn ja, ich sehe in Deutschland vielleicht anders aus, doch ist es eine Entschuldigung, dass ich mich hier nicht zuhause fühl?
Dass ich beäugt, beleidigt, nicht verteidigt und doch gepeinigt werd.

Doch sag mir, was stört dich an meiner Haut so sehr?
Dass ich mich versteck vor meiner Kultur in der wundervollen Natur…von Deutschland.
Doch ich pass nicht hinein.
Ja, ich weiß, ja, ich weiß, wir sind laut, und haben eine dunkle Haut, und ja, wir sind bunt, angeblich verdummt und ebenso Schund.
Mit vielen Farben stolzieren wir durch das Land und fragen uns, wann sieht jemand endlich unsere Narben?
Und dann stell ich mir die Frage, ob es wirklich nur die Haut, die Kultur, der Brauch oder die Haare sind, die mich nicht ruhen lassen und mich so zur Schau stellen, das weiße Menschen mich hassen.

Doch sag mir, was stört dich an meiner Haut so sehr?
Wir können nämlich sagen, ja, wir haben ebenso Gefühle und nein, sie stecken nicht in einer Zwickmühle, denn ich fühle alles.
Mein Herz nur noch ein Scherz, welcher in den Kreisen der Weißen herumgestoßen wird wie ein Ball.
Doch auch wir können kämpfen und bringen den Mut auf, uns zu präsentieren in voller Pracht bis zu unserem Tribut.
Denn eine Frage stelle ich mir ganz besonders… Bluten wir nicht alle das gleiche Rot bis zum Tod?

* Bildquellen der Collage „All eyes on Gaza“:

(Anmerkung: Wir, die Verfasserinnen dieses Poetry Slams und der dazugehörigen Zeichnungen, sind weiße Personen. Mit diesem Poetry Slam versuchen wir uns an einem Einblick in die Perspektive Schwarzer Menschen, die wir hiermit keineswegs übergehen, sondern uns intensiv damit auseinandersetzen wollen. Wir erkennen Weißsein und Schwarzsein als soziale und politische Konstrukte an und setzen uns kritisch mit der strukturellen Ungleichheit und unserer eignen Verantwortung, die damit einhergeht, auseinander. Zu den Begrifflichkeiten siehe auch: https://www.amnesty.de/glossar-fuer-diskriminierungssensible-sprache)
 
„Wieso stört dich meine Haut so sehr?“ – ein selbstgeschriebener Poetry Slam von Juliana Funk mit Verbildlichung von Salome Schnake

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„Wie beginnt so ein Wahn?“ – ein selbstgeschriebenes Gedicht von Cara Heidenreich, Albert Schneider, Lilian Weber und Emily Fehrmann

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